Warum denn noch eine Seite zur Koaxelektronik, gibt es davon nicht schon genug im Netz? Nun, doppeln möchte ich nichts, aber die Erklärungen, vor allem wenn es ums Thema Brushless geht, gehen meist von der elektronischen Einheit aus und versuchen deren Funktion und Zusammenspiel zu erklären. Ich finde den umgekehrten Weg einsichtiger, sich erst zu überlegen was die Elektronik im Koax alles können muss, also welche Funktionsblöcke nötig sind, und sich dann anzusehen wie das im Einzelfall umgesetzt wird. Viele Fragen scheinen sich mir so quasi von alleine zu beantworten, denn es läuft letztlich immer auf die gleichen fünf Funktionsteile hinaus. Noch eine kurze Nebenbemerkung, ich habe hier natürlich vor allem die 4-Kanal Koaxhelis im Blick.
Diese fünf elementaren Einheiten sind Empfänger, Gyro, Mischer, ESC bzw. BESC, und BEC. Ich habe das mal versucht im folgenden Bild zu veranschaulichen. Zusätzlich habe ich noch die zwei Motoren mit ihren Rotoren angedeutet, sowie natürlich den Akku, die Nick und Roll Servos, und den Sender. Deren Funktionen bzw. Aufgaben sind aber (hoffentlich ;-)) klar und sollen hier nicht betrachtet werden.
Bevor ich nun auf die genannten fünf Elemente genauer eingehe, ist es nützlich sich kurz zu erinnern wie der Koax funktioniert. Das grundlegende Prinzip ist einfach. Gesteuert wird mit den Gas und Gier Knüppeln (und natürlich Nick und Roll), bei Gas sollen die Rotoren mehr Schub erzeugen, bei Gier soll sich der Koax drehen.
Elementares zur Koax-Flugmechanik
Eine Drehung wird beim Koax dadurch erreicht, dass die eine Rotorebene schneller und die Andere langsamer rotiert wird. Jeder sich drehende Rotor bewirkt ein Drehmoment auf den Heli in die entgegen gesetzte Richtung. Der sich entgegen dem Uhrzeigersinn, also links-drehende obere Rotor A möchte den Heli daher rechts herum drehen, und der untere sich rechts-drehende Rotor B möchte den Heli gerne links herum drehen. Nun ist allgemein das Drehmoment, welches auf den Heli wirkt, um so größer je schneller sich der Rotor dreht. Das heißt für den Koax, das er genau dann schön ruhig in der Luft stehen bleibt wenn sich der obere und untere Rotor genau gleich schnell drehen, bzw. deren Drehmomente gleich groß aber entgegengesetzt sind, so dass sich die Wirkung der beiden Rotoren auf den Heli gerade aufhebt (tatsächlich ist noch der Effekt der Paddelstange am oberen Rotor zu bedenken, das ist hier jetzt aber unwichtig). Rotiert der obere Rotor nun z.B. schneller als der untere Rotor, dann wird dessen Wirkung auf den Heli die des Unteren überwiegen, und der Heli wird sich rechts herum drehen. Falls der obere Rotor sich langsamer dreht, dreht sich der Heli natürlich links herum. Also:
Eine Drehung des Koax wird durch einen Drehzahlunterschied der beiden Rotorebenen erreicht, und der Koax dreht sich um so schneller in eine Richtung je größer dieser Drehzahlunterschied ist.
Das ist nun aber auch schon alles was wir wissen müssen, und wir können uns den einzelnen Elementen widmen.
Rx (Reciever, Empfänger)
Ok, das es den Empfänger braucht ist klar. Ich will damit nur daran erinnern, dass der Empfänger einfach die Stellung des Gas und Gier-Knüppels am Sender ausgibt (wenn nicht bei Computerfunken daran rumgefummelt wurde :-)), und dass er dies in Form eines PPM (Pulse Position Modulation) Signals für jeden Kanal macht (über die Frage ob es sich um ein PPM oder PWM Signal handelt wurde/wird in den Foren genug gestritten, für mich ist es ein PPM Signal).
Die einfachen schwarzen Pfeile im Bild deuten die Flussrichtung von PPM Signalen an.
BEC (Battery Elemination Circuit)
So, jetzt wird’s ernster. Die ganze Elektronik im Koax muss ja irgendwie mit Strom versorgt werden. Klaro. Die Motoren selber hängen am Akku, was auch so sein sollte da sie natürlich den „vollen“ Strom benötigen. Die Elektronik demgegenüber braucht nicht so viel Strom, und hätte stattdessen lieber eine schön stabile Versorgungsspannung. In Koaxen beträgt diese üblicherweise 5 V (viele der in der Elektronik verwendeten Bauteile, wie z.B. Mikrocontroller, vertragen auch nicht mehr). Früher war es gängig zur Versorgung der Elektronik einen extra Empfängerakku zu verwenden, was immer noch gemacht wird wenn es auf Ausfallsicherheit ankommt. Ansonsten haben sich die BEC durchgesetzt, mit denen diese zusätzliche Batterie nicht mehr nötig ist (daher der komische Name :-)).
Eine BEC ist eine Spannungsversorgung, welcher auf der einen Seite an den (Haupt-) Akku angeschlossen wird, und an der anderen Seite eine stabilisierte Versorgungsspannung von typischerweise 5 V liefert.
Eine BEC ist also immer (irgendwo) vorhanden. An für sich funktioniert das mit der BEC auch ganz hervorragend. Allerdings werden auch die Servos, über den Umweg über den Empfänger, aus der BEC versorgt, und Servos könnnen schon mal einiges an Strom benötigen. So richtig genaue Werte sind meines Wissens für einen Koax nicht gemessen worden, aber 1 A oder so könnten kurzfristig (!) schon mal locker zusammenkommen. Das Thema Stromverbrauch der Servos wird jedenfalls oft diskutiert, aber mir scheint es ist selten ein wirkliches Problem.
Mischer
So, jetzt wird’s richtig ernst; wir kommen zum vielleicht zentralen Element einer Koaxelektronik. Dem Koax wird mittels der Gas und Gier Knüppel bzw. den Throttle- und Rudder-Signalen des Empfängers mitgeteilt was er tun soll, diese zwei Signale können jetzt aber nicht einfach direkt zur Steuerung der Motoren benutzt werden. Beim Rudder Signal würde das vielleicht noch funktionieren, da wir damit einen der Rotoren langsamer bzw. schneller rotieren lassen könnten, und sich der Koax so in die eine oder andere Richtung drehen würde. Allerdings würde der Koax dabei auch aufsteigen oder absinken, da sich der gesamte durch die beiden Rotoren erzeugte Schub auch verändert. Es ist damit auch klar, dass Throttle an eine Rotorebene nicht taugt, weil eben nicht nur der Schub der Rotoren verändert sondern vor allem der Koax sich auch drehen würde. Die Situation ist ähnlich der bei Kettenfahrzeugen, da will man ja auch nicht die rechte und linke Kette getrennt steuern müssen.
Mit dem Throttle Signal soll sich die Drehzahl beider Motoren gleichzeitig verändern, so dass sich der gesamte erzeugte Schub verändert, die Drehmomente sich aber weiterhin die Waage halten und der Koax sich nicht dreht.
Mit dem Rudder Signal soll sich die Drehzahl des einen Rotors erhöhen und die des Anderen in gleicher Weise erniedrigen, so dass sich der Schub insgesamt nicht ändert, die Drehmomente sich aber nicht mehr aufheben und der Koax daher dreht.
Und genau das ist es was der Mischer macht. Wir können das etwas mathematischer auch so ausdrücken:
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Ein solcher Mischer bei dem die Signale quasi zu 100% gemischt werden heißt auch V-Mischer oder Delta-Mischer. Das ist schon sehr gut, häufig wird die Wirkung des Rudder-Signals allerdings zu heftig sein (das hängt vom speziellen Fall ab). Ein Mischer mit einstellbarer Mischrate kann hier helfen:
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wobei die Mischrate bezeichnet.
ESC (Electronic Speed Controller)
Hinter dem Mischer haben wir nun geeignete Signale vorliegen um die Motoren zu steuern. Allerdings können wir die Motoren nicht einfach direkt anschließen, denn die werden einiges an Strom verbraten der am Besten direkt aus dem Akku kommt, und zudem kaum die gleiche „Sprache“ wie die RC-Komponenten sprechen, also etwas mit PPM Signalen anfangen können. Die Sprache die der Elektromotor versteht ist „Spannung“. Das heißt, je größer die Spannung am Motor, desto schneller wird er sich drehen (der Zusammenhang ist jetzt nicht so direkt wie es vielleicht klingt, kann aber mittels der Motorgleichungen beschrieben werden, das soll uns hier aber nicht weiter kümmern). Der Akku liefert eine (halbwegs) konstante Spannung, und den Motor direkt an den Akku an zu schließen würde also auch nicht funktionieren.
Das Zauberwort lautet hier PWM (Pulse Width Modulation). Bei der PWM wird die Spannung mit einer festen Frequenz abwechseln an den Motor angelegt (eingeschaltet) und abgekoppelt (ausgeschaltet), ON-OFF, ON-OFF, ON-OFF, usw.. Das Verhältnis der ON-Zeit im Vergleich zur Zeitdauer einer ON-OFF-Sequenz nennt man Taktverhältnis (Duty Cycle).
Der Motor sieht den Mittelwert der angelegten Spannung, und seine Drehzahl kann über das Taktverhältnis gesteuert werden:
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Tatsächlich ist diese Aussage nicht ganz richtig, und das Problem der PWM Ansteuerung von Elektromotoren ist nicht ganz einfach (eine ausführlich Betrachtung gibt’s in diesem Artikel), aber für uns hier reicht die obige Aussage völlig aus. Wir brauchen jetzt also eine elektronische Schaltung welche die Akkuspannung per PWM an den Motor anlegt und das Taktverhältnis entsprechend des PPM-Signals am Ausgang des Mixers einstellt, und das ist genau die Aufgabe der ESC.
Ich möchte der Genauigkeit wegen anmerken, dass das Eingangssignal welches die ESC erwartet nicht notwendigerweise ein PPM Signal sein muss. Bei Multikoptern wird z.B. auch gerne das I2C oder das serielle Format genommen, und die verschiedenen Hersteller kochen auch gerne ihr eigenes Süppchen. Wie das Signal vom Mixer zum BEC kommt, hängt also auch stark von den Gegebenheiten ab, aber das Prinzip ist immer gleich.
BESC (Brushless Electronic Speed Controller)
Anstelle der „brushed“ Elektromotoren (oft liebevoll „Bürstis“ genannt) werden gerne auch „brushless“ Motoren eingesetzt, da diese einige gewichtige Vorteile bieten (kleineres Gewicht, besserer Wirkungsgrad, geringerer Verschleiß, usw.). Jeder Motor braucht zum funktionieren eine Kommutierung, bei den Bürstis wird das eben über Bürsten realisiert. Beim brushless Motor wird die Kommutierung elektronisch erreicht, d.h., zum Betrieb eines brushless Motors wird neben der elektronischen Schaltung für die Geschwindigkeitssteuerung per PWM eine weitere elektronische Schaltung für die Kommutierung benötigt. Es liegt nun nahe nicht zwei getrennte Schaltungen aufzubauen, sondern beide Aufgaben in einer Schaltung zu vereinen, was auch genauso gemacht wird und die BESC ergibt.
Eine BESC erfüllt also zwei Aufgaben, die elektronische Kommutierung und die PWM-Geschwindigkeitssteuerung des brushless Elektromotors.
Wichtige Anmerkungen:
– Anstatt BESC sagt man oft auch einfach ESC meint aber BESC; in keinem Fall sollte beides aber mit BEC verwechselt werden.
– In externen ESC und BESC ist im Regelfall zusätzlich auch eine BEC integriert (was bei der Buchstabenähnlichkeit Missverständnisse nicht unbedingt vermeiden hilft ;-)).
Gyro
Und schon kommen wir zum letzten Teil, dem Gyro. Das mit dem Gyro ist interessant. Einerseits ist er nicht wirklich nötig, man kann auch ohne fliegen (was eine lustige Erfahrung ist). Der Koax fliegt dann aber wie ein schwammiges Ei und es macht nicht wirklich Spaß. Deswegen benutzt auch jeder einen Gyro. Andererseits ist die prinzipielle Funktionsweise des Gyros von allen Bausteinen vielleicht am Schwierigsten zu verstehen. Ich will hier daher auch gar nicht groß versuchen sie zu erklären, dazu gibt es im Web genügend Seiten, sondern will nur einige Bemerkungen anfügen die mir nützlich scheinen.
Ein Gyro reagiert auf Drehungen. Dazu besitzt er einen Sensor mit dem er die Drehrate um eine Achse messen kann. Drehrate hört sich jetzt wild an, heißt aber nur, dass wenn die Drehung schneller ist auch das Messsignal größer sein soll. Dieser Messsensor heißt Gyroskop, wird meist aber auch einfach nur Gyro genannt (was manchmal ungünstig ist ;-)). Ich werde ihn Gyro-Sensor nennen.
Ein Gyro gleicht unerwünschte Drehungen aus. Was heißt hier „unerwünscht“? Nun, der Pilot gibt ja mit dem Rudder Signal eine gewünschte Drehung vor, und alles was der Koax macht was dieser Willensäußerung nicht entspricht ist unerwünscht. Um die unerwünschten Drehungen auszugleichen, enthält der Gyro neben dem Gyro-Sensor auch eine Elektronik, meist ein Mikrokontroller, welche die nötige Korrektur berechnet. Dieses korrigierte Signal wird dann an den Mischer gegeben, so das die Motoren entsprechend reagieren können. Technisch handelt es sich um eine (PID-) Regelung.
Ein Gyro enthält einen Messsensor mit dem er die Drehrate um eine Achse messen kann, sowie eine Elektronik in der versucht wird die gemessene Drehrate mit der durch das Rudder Signal vorgegebenen Drehrate in Einklang zu bringen. „In Einklang“ heißt beim Rate-Gyro, dass unerwünschte Drehungen abgeschwächt werden, und beim HH-Gyro, dass unerwünschte Drehungen völlig ausgeglichen werden.
Noch eine letzte Bemerkung. Man kann sich leicht vorstellen, dass es die verschiedensten Methoden gibt einen Gyro-Sensor zu bauen. Im RC-Bereich geht es vor allem um zwei Techniken, welche mit den Schlagworten Piezo und MEMS (Micro Electro Mechanical System) belegt sind. Die MEMS-Sensoren sind besser als die Piezo-Sensoren, aber beide machen grundsätzlich genau das Gleiche. MEMS- oder Piezo-Gyro (also ein Gyro mit MEMS- oder Piezo-Sensor ;-)) funktionieren daher grundsätzlich gleich (nur vielleicht halt ein bisschen besser oder schlechter :-))
Zusammenfassung
Wir können also zusammenfassen: der Empfänger liefert die Steuerinformationen Throttle und Rudder, der Gyro korrigiert die Rudder-Signale derart dass unerwünschte Drehungen des Koax möglichst ausgeregelt werden, der Mischer setzt die Throttle- und Rudder-Signale in für die Ansteuerung der Motoren geeignet Signale um, und die (B)ESC treibt die Motoren entsprechend dieser Signale an. Versorgt wird das Ganze über die BEC.
Soweit zur generellen Funktionsweise. In der Praxis ist es aber immer nötig die Elektronik auf die Eigenschaften, oder auch Eigenarten, des speziellen Koax in dem sie zum Einsatz kommt abzustimmen um bestmögliche Resultate zu erzielen. Dazu bietet sie eine Reihe von Einstellmöglichkeiten, die je nach Hersteller und/oder gewähltem Setup natürlich unterschiedlich ausfallen können. Immer wieder vorkommende Einstellparameter sind jedoch Prop und Gain. Dazu aber mehr an anderer Stelle.
Weitere Artikel
- Koax Elektronik: Die 3in1 und 4in1 Einheit
- Koax Elektronik: Brushless Umbau
- Koax Elektronik: Gain, Prop, und Konsorten
Kleines Glossar
- Thro: Throttle, Gas
- Rudd: Rudder, Yaw, Gier
- Elev: Elevation, Nick
- Aile: Aileron, Roll
- PPM: Pulse Position Modulation
- PWM: Pulse Width Modulation
- DC: Duty Cycle, Taktverhältnis
- MEMS: Micro Electro Mechanical System