Wir wissen nun, dass die Koaxelektronik allgemein aus den fünf Funktionseinheiten Empfänger, Gyro, Mischer, (B)ESC und BEC besteht, und das und wo diese in den 3in1 bzw. 4in1 Einheiten der kommerziellen Koaxe zu finden sind, siehe Grundlegendes und Die 3in1 und 4in1 Einheit. Das im ersten Artikel gezeigte prinzipielle Blockschema möchte ich hier erneut zeigen:
Bei den kommerziellen Koaxen werden (bis dato) brushed Motoren verwendet, aber irgendwann steht (fast) jeder vor dem Wunsch nach mehr Leistung und Flugperformance. Brushed Tuningmotoren gibt es, den Umbau auf 3S (11V), Silberbürsten, Kühlkörper, Koaxbooster… aber alle 20 Flüge Silberbürsten wechseln, schnell kaputt gehende Motoren, etc… irgendwann hat (fast) jeder die Nase davon voll… kommen also die brushless Motoren ins Blick. Zu diesem Thema gibt es wirklich wahnsinnig viel im Netz zu finden. Vielleicht zu viel. Man kann leicht den Überblick verlieren bzw. es kann eine Weile dauern den Überblick zu gewinnen. Deswegen möchte ich die drei (mir bekannten) Varianten für einen brushless Umbau skizzieren (eigentlich kenne ich ja noch ne Vierte ;-)).
Mit dem Wissen um die fünf Funktionsblöcke und dem oben gezeigten Schema lassen sich die verschiedenen Lösungsansätze glaube ich gut verstehen. Wegen der brushless Motoren ist allen Lösungen gemeinsam, dass die ESC durch (externe) BESC ersetzt werden, d.h. die Unterschiede liegen darin wie bzw. wo der Gyro und Mischer realisiert sind. Zudem muss, wegen der BESC, die vorangehende Koaxelektronik an ihrem Ende zwei zur Steuerung der Motoren geeignete PPM-Signale liefern (im Multikopterbereich wird auch z.B. I2C oder RS232 verwendet, muss im Prinzip also nicht PPM sein, bei Koaxen habe ich aber nichts anderes gesehen). Ich will noch daran erinnern, dass in den BESC eine BEC bereits integriert ist, d.h. dass die Stromversorgung der Koaxelektronik inkl. Servos aus den BESC kommt (bzw. den in den BESC integrierten BEC), und daran, dass BESC eingelernt gehören.
BLBL (Boardless Brushless)
Ich fange mal mit der meiner (bzw. eigentlich jedermanns :-)) Meinung nach besten Lösung an, technisch gesehen und von der Flugperformance. Preislich ist sie etwas teurer (aber mittlerweile reden wir da über Euro-Beträge) und erscheint komplizierter. Es werden alle „alten“ Elektronikkomponenten aus dem Koax raus geschmissen und durch Neue ersetzt, bis evtl. auf den Empfänger, der bei Koaxen mit 3in1 oder 4in1-en mit getrennten Empfänger-Board übernommen werden kann. Die ESC müssen wir sowieso durch BESC ersetzen, wird also noch ein extra Gyro und ein Mischer benötigt. Das war es aber auch schon!
Zusammengeschaltet wird das ganze wie im Schaubild gezeigt. Mit unserem Vorwissen gibt’s da wenig mehr zu sagen. Beim BLBL Umbau werden halt alle fünf Blöcke durch einzelne Komponenten realisiert. Zu erwähnen ist, wie gesagt, dass die Stromversorgung der Komponenten aus den BEC der BESCs kommt; das ist durch die roten Pfeile angedeutet. Es ist hier also nicht so wie sonst, dass der Strom an die Einheit geliefert wird an die auch das PPM Signal geht, wie z.B. bei den Servos, sondern der Strom wird statt von „vorne“ von „hinten“ geliefert.
Der große Vorteil dieses Aufbaus ist die Flexibilität. Man kann jede einzelne Komponente genau auf die eigenen Wünsche u. Bedürfnisse abstimmen (billigste, teuerste, beste,…). Das ist aber auch der Nachteil. Es gibt so viele Kombinationsmöglichkeiten von Gyro, Mischer, BESC, und Motoren, welche nehmen? Insbesondere der Mischer und das Zusammenspiel von Mischer und Gyro machen hier oft Schwierigkeiten, so dass nicht jeder Mischer und/oder Mischer-Gyro Kombination funktioniert. Das Problem liegt am Mischer, in zweifacher Weise:
Synchronisation: Der Mischer muss die PPM-Signale vom Empfänger und Gyro einlesen. Jetzt ist es aber i.A. so, dass der Gyro seine PPM-Signale nicht mit der gleichen Framerate wie der Empfänger ausgibt (Framerate = Zeitabstand mit denen die PPM-Pulse ausgegeben werden). Das liegt einfach daran wie die Gyros intern programmiert sind, und eine kurze Framerate ist tatsächlich ein wichtiges Feature um bei CP Helis die gewünschte schnelle Reaktionszeit des Hecks zu bekommen. D.h. aber nun, dass die beiden PPM-Signale asynchron am Mischer ankommen, und leider kommen viele Mischer wie die kommerziellen externen V-Tail oder Delta-Mischer, die ja eher für Flugzeuge ausgelegt wurden, mit asynchronen Signalen nicht zurecht.
Mischrate: Jeder Gyro bietet mindestens eine Einstellmöglichkeit, Gain. Ich will es Gyro-Gain nennen. Mit dem Gyro-Gain stellt man sozusagen ein wie empfindlich der Gyro ist, bzw. wie „genau“ er die Richtung halten kann. Leider kann man den Gyro-Gain nicht beliebig groß machen; wenn er zu groß wird fängt der Heli an hin und herzupendeln. Es ist klar, dass der genau Punkt zwischen „Gyro zu schwach“ und „Heck pendelt“ vom Heli abhängt (Bauweise des Helis, Gewicht des Hecks, Motoren, BESC, usw.). Beim BLBL Aufbau hängt nun der Punkt bei dem Heckpendeln auftritt sowohl vom Gyro-Gain also auch von der Mischrate des Mischers ab (technisch: Beides zusammen bestimmt die closed-loop Gain). Bei den externen V-Tail und Delta Mischern ist diese Mischrate typischerweise 100% (siehe auch hier), was oft viel zu viel ist. Mit solchen Mischern ist es ein oft beobachtetes Phänomen, dass Gyro-Gain sehr niedrig eingestellt werden muss. Ist doch egal, könnte man meinen, und ist es auch – fast. Der Koax wird im Regelfall schon gut fliegen, allerdings vom Optimum weg sein da der Gyro nicht optimal arbeitet. Die Richtung wird, z.B. bei Pitchstößen, nicht so gut gehalten wie es sein könnte, oder Drehraten sind „seltsam“. Jedenfalls, es kommt durchaus auch auf das richtige Verhältnis von Gyro-Gain und Mischrate an.
Die Crux beim BLBL Umbau ist (meistens) der Mischer. Er muss asynchrone Eingangssignale problemlos verarbeiten können, und sollte eine einstellbare Mischrate bieten.
Idealerweise benutzt man also einen speziellen „Koax-Mischer“. Kommerziell ist mir nur der Dionysus Coaxial-Mixer bekannt, der allerdings ganz schön teuer ist (meine Meinung)(und eine „fatale Failsafe-Funktion“ hat, siehe hier). Daneben gibt es Selbstbauvorschläge in diversen Foren, und einige davon sind ziemlich gut (und die „Erfinder“ sind, wenn man nett kommt, oft auch sehr hilfsbereit). Wie auch immer, auch mit kommerziellen Mischern wie den V-Tail Mixern gibt es sehr viele erfolgreiche BLBL Umbauten, oft muss man allerdings ein bisschen rumexperimentieren, oder die Berichte in den Foren lesen ;-).
3/4in1-Konverter Brushless
Der Konverter-Umbau ist der Versuch die vorhandene 3in1 oder 4in1 weiter zu verwenden, d.h., mit Blick auf das obige erste Schaubild, den Empfänger, Gyro und Mischer der 3/4in1 zu nutzen. Allerdings müssen natürlich die ESC „irgendwie“ durch BESC ersetzt werden. Dies ist nun gar nicht so einfach, da die 3/4in1-en das für die Ansteuerung der BESC benötigte PPM-Signal nicht zur Verfügung stellen. Die Lösung dazu wurde, soweit sich das im Netz nachzeichnen läßt, von Bernhard Konze alias Quax vorgeschlagen, nämlich das am Ausgang der 3/4in1 (oder im Inneren an geeigneten Pins) gelieferte PWM-Signal für die Motoren mit einem speziellen Konverter in das für die BESC geeignete PWM-Signal zu verwandeln. Mit Mikrokontrollern sind solche PWM-zu-PPM Konverter tatsächlich sehr leicht zu realisieren. Als Blockschema sieht das dann so aus:
Diese Lösung sieht natürlich nun super einfach aus, im Vergleich zu BLBL zumindest, und scheint einen plug-and-fly Umbau zu versprechen. Tatsächlich sind vor 1-2 Jahren einige kommerzielle Brushless-Umbau-Sets auf den Markt gekommen, die alle auf der Konverter-Lösung beruhen, also zwei Motoren, zwei BESC, und zwei Konverter umfassen. Bei der Frage allerdings wie gut die Konverterlösung funktioniert, gehen die Meinungen bzw. Erfahrungen sehr weit auseinander. Viele berichten von einem guten Ergebnis, aber es gibt auch sehr viele negative Berichte. Eine objektive Einschätzung ist schwer, es kann anschienend mal gut gehen, und mal nicht.
Ich habe den Einstieg in die schöne, bunte brushless-Koax-Welt auch mit so einem Fertigset gemacht, fand das Ergebnis aber mehr als unbefriedigend (und habe es hier und hier dokumentiert). Persönlich stehe ich also plug-and-fly Aussagen (die meinem Eindruck nach um so verführerischer klingen je stärker der kommerzielle Hintergrund ist ;-)) etwas skeptisch gegenüber.
Das Grundproblem bei dieser Lösung liegt wieder am oben bereits erwähnten closed-loop Gain, denn dieses wird im Regelfall viel zu groß sein. Tatsächlich wird für alle (mir bekannten) Umbauten dieser Art berichtet, dass der Gain Regler an der 3/4in1, also das Gyro-Gain, auf die minimale Position gestellt werden muss. Die closed-loop Gain ist meistens trotzdem immer noch zu groß, und der Koax pendelt ständig hin und her (zappelt). Zudem sind die kommerziellen 3/4in1-en nicht unbedingt für so kleine Gyro-Gains gemacht, d.h. z.B. der Gyro arbeitet nicht so wie er soll, oder die interne Auflösung wird sehr klein. Insgesamt ist es also ein typisches Problem der Konverter-Lösung, dass der Heli im Schwebeflug zappelt und in Kurven „ruckelig“ fliegt.
Sender-Mischer Brushless
Bei dieser Lösung wird ebenfalls die 3in1- bzw. 4in1-Einheit aus dem Koax raus geschmissen, die Mischfunktion aber vom Sender übernommen. Diese Lösung funktioniert also nur mit Computerfunken, ergibt dann allerdings ein sehr minimalistisches Blockschema:
Es wird also zusätzlich nur noch ein Gyro im Koax benötigt (die beiden BESC braucht man ja so oder so). Der Vorteil dieser Lösung ist also, wenn man eine Computerfunke besitzt, ein sehr einfacher und kompakter Aufbau, und keine Schwierigkeiten mit dem closed-loop-gain Problem, da bei den Computerfunken üblicherweise auch die Mischrate eingestellt werden kann.
Hört sich ja alles super an, trotzdem lässt sich trefflich darüber „streiten“ wie gut oder schlecht diese Lösung ist, sie hat nämlich ein prinzipielles Problem. Da der Gyro nun hinter dem Mischer liegt, hat er natürlich auch nur Einfluss auf einen Motor (z.B. den Unteren, wie im Schaubild gezeigt, ist aber egal welcher es ist). D.h., wenn der Gyro den unteren Rotor z.B. schneller drehen lässt um eine unerwünschte Drehung des Koax zu korrigieren, dann wird diese Drehung zwar richtig korrigiert, allerdings erhöht sich dabei auch der gesamte Schub beider Rotoren, da ja der obere Rotor nicht wie bei den anderen Lösungen im gleichen Maße langsamer wird, und der Koax steigt hoch (dies und dies ist vielleicht nützlich).
Bzgl. der Drehungen verhält sich die Sender-Mischer Lösung wie gewünscht, allerdings steigt und fällt der Koax bei (fast) jeder Drehung.
Das ist jetzt kein gewaltiger Effekt, denn tatsächlich braucht sich die Drehzahl des unteren und oberen Rotors auch für eine sehr schnelle Drehung des Koax nur wenig zu unterscheiden, es sind typisch 10%. Ob dieser Effekt jedoch gravierend genug ist, um diese Lösung als gut oder schlecht zu bewerten, hängt meinem Eindruck nach auch viel mit den Fähigkeiten des Piloten ab. Ein geübter CP-Heli-Pilot wird das ständige Hoch-und-runter vermutlich problemlos aussteuern, sind sie es doch eh gewöhnt, dass bei einem CP-Heli prinzipbedingt bei jeder Roll- oder Nickbewegung auch Throttle gegeben werden muss. Ein weniger versierter Pilot mag das ständige Auf-und-ab als inakzeptabel empfinden (und ich denke es ist nicht unfair anzunehmen, dass das für die meisten Koaxpiloten gilt).
Wie auch immer, diese Lösung wurde vor ca. 2 Jahren noch groß propagiert, ist seitdem aber wie es scheint „aus der Mode“ gekommen. Einige der „Sender-Mischer-Jünger“ haben auch, nachdem sie einen BLBL-Umbau geflogen sind, Ihre Meinung geändert. 🙂
Zusammenfassung
Die obigen Informationen mögen (hoffentlich) helfen sich eine eigene Meinung zu bilden, meine Meinung ist ziemlich klar: Die Konverter-Lösung ist verführerisch, kann aber funktionieren oder auch nicht; wenn’s klappt ist’s schön, wenn nicht ist’s rausgeschmissenes Geld. BLBL ist die Krönung, man sollte sich allerdings vorher in Foren gut informieren welche (Empfänger-) Gyro-Mischer Kombinationen funktionieren. Sender-Mischer, ein klares njet.
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